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Vorwort

                                                   Seit nunmehr 60 Jahren leben Alevit:innen in Deutschland und scheinen
                                                   dennoch unsichtbar zu sein. Die Migrationsmotive der Alevit:innen, die pri-
                                                   mär wirtschaftliche Gründe zu sein schienen, waren nicht der Hauptgrund der
                                                   Migration nach Europa bzw. Deutschland. Vielmehr waren die jahrhunderte-
                                                   langen Diskriminierungserfahrungen, die die Alevit:innen in die Peripherie der
                                                   Gesellschaft trieben und ein schweres soziales, politisches und wirtschaftliches
                                                   Leben zur Folge hatten, Faktoren, die eine Migration beschleunigten.  Nun schei-
                                                   nen viele Alevit:innen eine neue Heimat fernab vom Herkunftskontext gefunden
                                                   zu haben. Religiöse, kulturelle, politische Freiheiten, die ihnen in ihrer Heimat
                                                   systematisch verwehrt wurden, fanden in der Diaspora, speziell in Deutschland,
                                                   eine Neudefinition.

        Aus den anfänglichen Vereinsgründungen entstand der Dachverband der Alevit:innen in Deutschland, später die Konföderation
        der Alevit:innen in Europa. Heute stellen die Alevit:innen eine dynamische Kraft in Deutschland dar, die Interesse an der
        gesamtgesellschaftlichen Partizipation in Deutschland zeigt: Die Alevit:innen, die in ihrer ursprünglichen Heimat margina-
        lisiert wurden, suchen nun nach Antworten auf ihre Fragen.

        Der Prozess der Selbstfindungsphase der Alevit:innen in Deutschland wird von mehreren Akteuren geprägt, die unterschied-
        liche politische Ziele verfolgen: Auf der einen Seite sind es die Alevit:innen, die ihren Organisationsgrad durch Vernetzung
        stärken wollen, um ihrer Stimme in Deutschland und anderswo mehr Gewicht zu verhelfen, auf der anderen Seite sind es
        Organisationen, die de facto eine Islamisierung des Alevitentums im Focus ihrer Arbeit sehen. Um diese Assimilierungsprozesse
        zu durchbrechen, ist es wichtig, den Alevit:innen die Möglichkeit ihrer Selbstdefinition einzuräumen. Um einen Schritt in die
        Richtung zu machen, wie die Alevit:innen sich in der Migration selbst definieren, haben aus dieser Sicht heraus die lokalen
        Vertreter der Delil-Akademie, Frau Devrim Deniz Taner und Herr Mehmet Şeker, eine quantitative Online-Befragung unter
        Pandemiebedingungen in Berlin durchgeführt.

        Ich danke Frau Devrim Deniz Taner und Herrn Mehmet Duran Şeker für diesen sehr wertvollen Beitrag zur Migrationsforschung der
        Alevit:innen in der Diaspora am Beispiel Berlin, der  wissenschaftlich von Prof. Hüseyin Ağuiçenoğlu, Prof. Martin van Bruinessen,
        Soziolinguist Mehmet Şerif Derince, Dipl. Soziologin Pinar Koç, Prof. Nil Mutluer, Dipl. Wi.-Ing. (Oberstudienrat) Ahmet Taner,
        Dr. Zeynep Türkyılmaz begleitet wurde.


        Ein besonders großer  Dank geht an die lokalen Vereinigungen und Institutionen, insbesondere an die Alevitische Gemeinde
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